30 Jul
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Was ist Stress und wie können wir ihn beeinflussen?

Stress ist ein Zustand, den ein Individuum als unangenehmes Ungleichgewicht zwischen den Anforderungen einer Situation und den eigenen Fähigkeiten empfindet. Er ist eine physiologische Reaktion des Körpers auf stressauslösende Faktoren, bei der das Gehirn die Ausschüttung von Stresshormonen wie Glukokortikoiden (z.B. Kortisol) und Katecholaminen (z.B. Adrenalin und Noradrenalin) anstösst. Stressoren können sowohl extern (z.B. Umweltbelastungen, Mobbing am Arbeitsplatz) als auch intern (z.B. psychische Krisen, Krankheitserreger, Schmerz, Furcht) sein. Der Begriff "Stress" wurde ursprünglich von Hans Selye als leistungssteigernde Anpassung an physische oder psychische Belastungen definiert. Man unterscheidet zwischen:

  • Distress: Schädlicher, überfordernder, krankmachender Stress.
  • Eustress: "Guter" Stress, der auftritt, wenn Herausforderungen erfolgreich bewältigt werden.


Wie Stress wirkt:

  1. Rolle des Autonomen Nervensystems (ANS):
    • Das ANS spielt eine zentrale Rolle für unsere mentale und körperliche Gesundheit, indem es lebenswichtige Funktionen wie Herzschlag, Atmung, Verdauung und Stressreaktionen steuert.
    • Es reagiert extrem schnell (ca. 150-200 Millisekunden) noch bevor ein bewusster Gedanke entsteht, da es auf das Überleben ausgelegt ist und seine Axone myelinisiert sind, was die Nervensignale stark beschleunigt.
    • Die Neurozeption, das unbewusste Erkennen von Sicherheit oder Gefahr, führt dazu, dass das ANS den Körper in einen Zustand versetzt, der die nötige Energie für die Situation bereitstellt. Wenn die defensiven Systeme in einer sicheren Umgebung nicht beruhigt werden können, entsteht ein gewohnheitsmäßig hypervigilanter, beunruhigender Zustand.
    • Das Sympathische Nervensystem (SNS) mobilisiert den Körper für Kampf- oder Fluchtreaktionen, erhöht Herzfrequenz, Puls und Blutdruck. Lang anhaltende emotionale Anspannung kann durch erhöhte Adrenalin- und Noradrenalinspiegel sowie Sympathikusaktivität zu Aufgeregtheit, Nervosität und Reizbarkeit führen.
    • Der Parasympathikus hingegen drosselt die Leistung und führt den Körper in eine Erholungsphase. Ein harmonisches Zusammenspiel beider Zweige des vegetativen Nervensystems gewährleistet die Ausgewogenheit der Organfunktionen.
  2. Die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HPA-Achse):
    • Die HPA-Achse ist das zentrale Stressregulationssystem des Körpers.
    • Bei Stress wird die Amygdala (emotionales Alarmsystem) aktiviert, die Signale an den Hypothalamus weiterleitet.
    • Der Hypothalamus schüttet Corticotropin-Releasing-Hormon (CRH) aus, das wiederum die Hypophyse zur Freisetzung von Adrenocorticotropem Hormon (ACTH) anregt.
    • ACTH stimuliert die Nebennierenrinde, Kortisol zu produzieren und auszuschütten. Kortisol mobilisiert schnell Energie, steigert Herzfrequenz und Blutdruck und unterdrückt vorübergehend das Immunsystem.
    • Ein negative Rückkopplungsmechanismus sorgt dafür, dass die Stressreaktion bei ausreichend Kortisol wieder herunterreguliert wird.
    • Folgen von chronischem Stress: Dauerhafte Überstimulation der HPA-Achse kann zu Erschöpfung, Schlafstörungen, Angstzuständen und einem geschwächten Immunsystem führen. Hohe Kortisolwerte können zudem Hippocampusneuronen schädigen, was die Lernfähigkeit beeinträchtigt und die Stressreaktion weiter verstärkt, da die Rückkopplungshemmung beeinträchtigt wird. Chronischer Stress kann auch die Neurogenese im Hippocampus mindern, was mit Depressionen in Verbindung gebracht wird.
  3. Stress und Gedächtnis:
    • Kortisol blockiert das Abrufen von Wissen aus dem deklarativen Gedächtnis (semantisches und episodisches Wissen). Es hemmt jedoch nicht das Kurzzeitgedächtnis oder den eigentlichen Lernvorgang.
    • Chronischer Stress kann einen Teufelskreis auslösen: Gedächtnisschwäche führt zu mehr Stress, was wiederum mehr Kortisol ausschüttet und das Erinnerungsvermögen weiter schwächt, was zu Angst und Fehlern führt.
  4. Stress und Emotionen:
    • Emotionen wie Furcht und Wut können über den Hypothalamus motorische Abwehrreaktionen und die Ausschüttung von Adrenalin und Kortisol auslösen.
    • Erlernte Hilflosigkeit: Unkontrollierbarer und unbewältigter Stress kann zu einem Gefühl der Hilflosigkeit führen, das einer klinischen Depression ähnelt und mit einem starken Anstieg des Kortisol- und CRH-Spiegels im Gehirn einhergeht.
    • Traumatische Erfahrungen, insbesondere aus der frühen Kindheit, können die Stresssensitivität drastisch erhöhen und sich dauerhaft im emotionalen Gedächtnis verankern, was die Anfälligkeit für psychosomatische Erkrankungen im Erwachsenenalter erhöht.
  5. Neurotransmitter und Gene:
    • Neurotransmitter wie Serotonin und Noradrenalin spielen eine Rolle bei der Stressreaktion und der Stimmungsregulation.
    • Eine genetische Veranlagung (z.B. die kurze Variante des 5-HTT-Gens) kann die Stresssensitivität erhöhen und die Wahrscheinlichkeit für Angststörungen und Depressionen steigern.
  6. Immunsystem:
    • Chronischer Stress schwächt nachweislich das Immunsystem und erhöht die Anfälligkeit für Infektionen. Akuter Stress kann das Immunsystem jedoch auch kurzfristig aktivieren.


Wie wir Stress beeinflussen können:

  1. Allgemeine Strategien:
    • Gefühl der Kontrolle: Die Fähigkeit, eine stressauslösende Situation zu kontrollieren oder zumindest zu beeinflussen, reduziert die physiologische Stressreaktion und den Anstieg von Kortisol.
    • Kognitive Verhaltenstherapie (KVT): Hilft Patienten, ihren "inneren" Stress zu identifizieren und zu bewältigen. Sie kann auch helfen, erlernte Schmerzpfade im Gehirn "rückgängig" zu machen und das limbische System positiv zu beeinflussen.
    • Gesunder Lebensstil: Eine mediterrane Ernährung, Rauchverzicht, regelmäßige körperliche Aktivität und ein stressfreier Lebensstil verbessern die Herzgesundheit. Stressmanagement kann hierbei sogar effektiver sein als körperliche Aktivität.
    • Entspannungstechniken: Atemübungen, Autogenes Training und Progressive Muskelrelaxation können Stress abbauen und körperliche sowie mentale Entspannung fördern. Die 4-4-4-4 Puls-Atemtechnik ist ein Beispiel für eine einfache Atemtechnik zur Förderung von Ruhe und Sicherheit. Das Ausatmen auf "Ssss" kann ebenfalls entspannend wirken.
    • Positive Denkweise und Hoffnung: Positives Denken und das "Prinzip Hoffnung" können Stressreaktionen und Schmerz mindern, indem sie neuronale Netzwerke verändern. Die Stärke der Schmerzempfindung hängt stark von der inneren Einstellung ab.
  2. Einfluss durch Hypnose/Hypnosetherapie:
    • Stressreduktion und Entspannung: Hypnose führt zu tiefen Entspannungszuständen durch Aktivierung des Parasympathikus, was Herzfrequenz, Blutdruck und Muskelspannung senkt und die Ausschüttung von Stresshormonen reduziert.
    • Veränderung der Stresswahrnehmung: Durch Suggestionen und imaginative Techniken hilft Hypnose, die subjektive Bewertung von Stressoren zu verändern, sodass sie als weniger bedrohlich empfunden werden und ein Gefühl von Kontrolle entsteht. Sie moduliert die mentalen Repräsentationen von Empfindungen und Symptomen, wodurch diese als weniger belastend erlebt werden.
    • Emotionale Regulation und Verarbeitung: Hypnosetherapie ermöglicht den Zugang zu unbewussten Gefühlen und Erinnerungen, um traumatische Erfahrungen, Ängste oder negative Glaubenssätze zu bearbeiten und aufzulösen. Dies stärkt die emotionale Widerstandskraft (Resilienz). Sie kann die Freisetzung von Neurotransmittern wie Serotonin und Dopamin beeinflussen, die für Stimmung und emotionales Wohlbefinden entscheidend sind.
    • Neuroplastizität und Denkweisen: Hypnose ist eine "sprechende Medizin", die die Plastizität des Gehirns nutzt, um krankmachende Muster auf neuronaler Ebene zu verändern und neue Ressourcen zu verankern. Sie kann alte Denk- und Verhaltensmuster "neu programmieren". Mentale Aktivität und Gedanken können die neuronalen Netzwerke des Gehirns umstrukturieren.
    • Stärkung der Selbstwirksamkeit und Glaubensstrukturen: Hypnose fördert das Gefühl, Einfluss auf das eigene Erleben und Verhalten zu haben. Sie kann helfen, negative Glaubensstrukturen zu verändern und Selbstvertrauen zu stärken.
    • Aktivierung der Selbstheilungskräfte: Hypnose aktiviert die Selbstheilungskräfte des Körpers und stärkt das Vertrauen in diese.
    • Verbesserung des Gehirnstoffwechsels und der Homöostase: Hypnose kann den Energieverbrauch des Gehirns optimieren, den Blutzuckerspiegel stabilisieren, indem sie Stress reduziert, und die Sauerstoffversorgung verbessern, indem sie die Atmung reguliert.
    • Spezielle Hypnoseformen:
      • Die Regress to Cause (R2C) Hypnose konzentriert sich auf das Aufdecken und Bearbeiten ursprünglicher emotionaler und psychologischer Ursachen, um emotionale Lasten zu lösen und Stress abzubauen.
      • Die ChiroTrance Hypnose ist eine körperorientierte Methode ohne verbale Anleitung, die Selbstheilungskräfte aktiviert, Kortisol senkt und die Neuroplastizität fördert.
    • Kombination mit anderen Methoden: Hypnose kann effektiv mit anderen therapeutischen Ansätzen kombiniert werden, um die Ergebnisse zu maximieren. Insbesondere in Kombination mit Achtsamkeit und Meditation werden synergistische Effekte auf Neuroplastizität und Emotionsregulation erzielt.

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